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Digitalisierung

Brexit: Die Zeit läuft

Während die Politik weiterhin nach Wegen aus der Brexit-Krise sucht, läuft der Countdown bis zum Austrittstermin unerbittlich weiter. Nun ist es an den Unternehmen, sich konsequent auf alle möglichen Eventualitäten vorzubereiten. Ein Schlüsselthema: Zoll.

Verzögerungen beim Grenzübertritt wären im Falle eines harten Brexit die eine große Herausforderung – die andere wäre der neue bürokratische Aufwand beim Warenverkehr mit Großbritannien

29. März 2019, 23 Uhr im englischen Dover: Es könnte ein Freitagabend wie jeder andere werden – oder einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der Hafenstadt markieren. Wie eine gut geölte Maschine schleust der wichtigste Fährhafen des Landes derzeit die aus dem französischen Calais und Dünkirchen kommenden Lkw nach ganz Großbritannien – bis zu 10.000 am Tag. Im Falle eines „harten Brexit“ könnte diese Maschine massiv ins Stocken geraten – von einem Tag auf den anderen.
Denn dann müssten an den Grenzen Kontrollen für sämtliche ankommende Lkw durchgeführt werden. Davon wären insbesondere die Häfen von Dover und Calais sowie der nahe Eurotunnel, durch den jährlich 1,6 Millionen Lkw transportiert werden, betroffen. Alternative Verbindungen zu diesem Nadelöhr existieren kaum. Staus und erhebliche Wartezeiten scheinen daher unausweichlich.

Zeit zu handeln

Die Wirtschaft beobachtet gespannter denn je, wie es nun weitergehen soll mit dem lange verhandelten Austrittsabkommen zwischen den Briten und der EU. Welche Forderungen aus dem britischen Unterhaus können noch kurzfristig umgesetzt werden? Und finden sich letztlich Mehrheiten für ein angepasstes Abkommen auf beiden Seiten?

Die Lage scheint komplizierter denn je, schlichtes Abwarten ist jedoch kaum mehr eine Option. „Wir empfehlen unseren Kunden, sich für einen möglichen harten Brexit zu wappnen,“ sagt Wolfgang Reinel, Managing Director European Logistics North Central Europe bei DACHSER. Falls Großbritannien am 29. März die EU ohne Vertrag verlassen sollte, sind längere Wartezeiten durch Grenzkontrollen unausweichlich. Unternehmen, die von und nach Großbritannien Sendungen transportieren lassen, sollten daher ihre Logistikkette genau überprüfen und sich einen Überblick über die Mengenentwicklung verschaffen, Sendungen nach Möglichkeit konsolidieren sowie den Aufbau von Sicherheitsbeständen prüfen, um potenzielle Wartezeiten zu überbrücken.

Verzögerungen beim Grenzübertritt wären im Falle eines harten Brexit die eine große Herausforderung – die andere wäre der neue bürokratische Aufwand beim Warenverkehr mit Großbritannien. Ein harter Brexit würde Zollverfahren nach den Regeln der WTO notwendig machen. Insbesondere Verlader, die noch keinerlei Import- und Exporterfahrung mit Ländern außerhalb der EU haben, sollten sich frühzeitig vorbereiten, damit nach dem möglichen Stichtag Ende März ihre Waren bereit für den Grenzübertritt sind. Denn ohne die notwendigen Dokumente käme es zu noch mehr Verzögerung.

Denn aktuelle Planungen an den Häfen von Dover und Calais setzen auf eine vorzeitige Zollanmeldung, um einen möglichst reibungslosen Grenzübertritt zu ermöglichen. In Calais könnten in Zukunft bei der Ausfuhr von Ware aus der EU nach Großbritannien die bereits vorab erzeugten Ausfuhrverfahren bzw. Versandverfahren mit dem befördernden LKW Kennzeichen verknüpft und, wenn möglich, einer Sammel-MRN-Nummer (Movement Reference Number) zugeordnet werden. Sobald das Fahrzeug am Terminal der Fähre oder am Eurotunnel eintrifft, fände eine weitestgehend automatisierte Überlassung zum Ausgang statt, Kontrollen am Zollterminal würden entfallen, es wären nur Stichproben notwendig. Ähnliches wäre bei der Wareneinfuhr möglich. Auch Großbritannien plant, die Kontrollen an den Eingangshäfen und am Eurotunnel auf Sichtproben zu begrenzen. Hierfür wären ebenfalls vorzeitige Zollanmeldungen abzugeben, um lange Wartezeiten an den Eingangszollstellen zu vermeiden.

„DACHSER kann seine Kunden beim Thema Zoll vielseitig unterstützen. Allerdings sind wir hier auf einen engen Austausch angewiesen,“ erläutert Vinzenz Hingerl, Department Head Customs bei DACHSER. Grundlegende Voraussetzung für die Zollanmeldung sowohl in Großbritannien als auch in der EU sind EORI-Nummern (Economic Operators' Registration and Identification) sowie korrekte Produktklassifizierungen für die zu transportierende Ware. Hinzu kommen zollrechtliche Handelsdokumente bzw. Handelsrechnungen. „Das lässt sich alles bereits frühzeitig vorbereiten,“ so Vinzenz Hingerl weiter. „Ebenso ist es wichtig, mit den Handelspartnern die zukünftig zu verwendende Incoterm zu vereinbaren, um Verzögerungen bei der Abwicklung bereits im Vorfeld zu vermeiden. Diese regelt, wer zukünftig die Zollabwicklung beauftragt und die Kosten für die Abfertigung als auch für die Einfuhrabgaben übernimmt.“ Zudem wurde bereits der ab einem harten Brexit anzuwendende „UK Trade Tariff“ veröffentlicht. Somit lassen sich zukünftige Zollabgaben im Vorfeld kalkulieren. Die Ansprechpartner in den DACHSER Niederlassungen unterstützen beim Thema Zoll mit Checklisten und individueller Beratung, damit wir alle ab einem möglichen Tag X so effizient wie möglich agieren können. Kunden mit Verkehren von und nach Großbritannien sollten jetzt den Kontakt suchen. Sendungen von und nach Irland werden derzeit in der Regel ebenfalls über Großbritannien transportiert. Auch hier ist geraten, sich mit dem Dachser-Ansprechpartner in Verbindung zu setzen.

In den vergangenen Monaten hat sich DACHSER intensiv auf den Austritt Großbritanniens aus der EU vorbereitet. Bei der Zollabwicklung können die Kunden auf die Expertise und Ressourcen aus dem Netzwerk des Logistikdienstleisters zurückgreifen. Gleichzeitig investiert DACHSER in Personal, Weiterbildung und die Anpassung der IT-Infrastruktur. Weitere Maßnahmen, um mögliche Folgen eines harten Brexit abzufedern, betreffen die Verkehrsplanung, zusätzliche Umschlagpunkte und Lagerflächen.
„Unwägbarkeiten gehören in der Logistik zum Geschäft,“ so Wolfgang Reinel. „Der Brexit ist eine Herausforderung und DACHSER ist dafür gerüstet. Großbritannien ist und bleibt ein wichtiger Teil des europäischen DACHSER-Netzwerks. Wir verzeichnen dort ein konstantes Wachstum. Und ungeachtet der Störungen, die der Brexit verursachen könnte, erwarten wir, dass sich dieser positive Trend bei unserer Landesgesellschaft in Großbritannien fortsetzt.“

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