Brexit: Tag der Entscheidung
In diesen Tagen blickt die Welt gespannt nach London. Die Abgeordneten des „House of Commons“ entscheiden über den von der britischen Regierung und der EU ausgehandelten Brexit-Deal. Wie die Parlamentsabstimmung ausgehen wird, ist noch völlig offen. DACHSER jedenfalls ist für jedes Szenario gewappnet.
„Take back control“ – die Kontrolle zurückgewinnen. Unter diesem Motto stand vor zweieinhalb Jahren die Kampagne der Brexit-Befürworter. Die wiedererlangte Souveränität sollte das Vereinigte Königreich zu einem neuen, dynamischen Wachstum führen und gleichzeitig der Bürokratie des EU-Apparats sowie den jährlichen Milliardenüberweisungen nach Brüssel ein für alle Mal ein Ende bereiten. Doch bereits damals warnten Ökonomen fast einhellig, dass ein Austritt aus der Gemeinschaft mehr Gefahren als Chancen mit sich brächte. Insbesondere ein abrupter, ungeregelter Bruch mit der Europäischen Union nach über 40 Jahren, hätte auf beiden Seiten des Ärmelkanals schwerwiegende Folgen.
Auf Messers Schneide
Eine knappe Mehrheit der britischen Wähler ließen sich jedoch von den Perspektiven einer wiedergewonnenen Selbstständigkeit überzeugen und stimmten im Juni 2016 für den Ausstieg. Jetzt, wenige Wochen vor dem Austrittstermin am 29. März 2019, steht die Entscheidung über das zukünftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien auf Messers Schneide. Das mühevoll ausgehandelte Austrittsabkommen sorgt für hitzige Debatten. Ist das Land nicht noch viel zu eng an die Regeln und Vorgaben aus Brüssel gebunden – als Preis für einen möglichst problemlosen Handel mit dem Kontinent? Wie kann dafür gesorgt werden, dass zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland keine neue Grenze entsteht – und gleichzeitig keine Barriere zwischen Nordirland und der britischen Insel? Musste die neue, geplante Souveränität also einem faulen Kompromiss weichen?
Der Deal ist in allen Fraktionen umstritten, eine Mehrheit ist trotz intensiven Werbens der britischen Premierministerin Theresa May daher fraglich. Doch was passiert bei einem Nein des britischen Parlaments? Beobachter sehen wenig Chancen für ein neues Referendum über den Brexit selbst. Auch Neuwahlen scheint die Regierungsmehrheit vermeiden zu wollen. Ebenso wenig wünschen sich die meisten Abgeordneten einen harten Brexit, einen Ausstieg ohne jegliches Abkommen. Der Plan ist nun, den Deal Anfang 2019 im britischen Parlament vorzulegen, noch näher am Austrittstermin. Doch die Uhr tickt.
Das verhandelte Abkommen würde vor allem eine Funktion erfüllen: allen Beteiligten noch etwas mehr Zeit verschaffen. Denn während einer Übergangsfrist bis 31.12. 2020 müsste dann ein Handelsabkommen geschlossen werden und eswürde sich aus Sicht der Wirtschaft – und auch der Logistik – kaum etwas ändern. Der Binnenmarkt mit all seinen Vorteilen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs bliebe weitgehend intakt, die bekannten Regeln behielten weiter ihre Gültigkeit. Während einer solchen Übergangsphase, die sogar bis maximal Ende 2022 verlängert werden könnte, müssten alle Parteien für ein zukünftiges Handelsabkommen nochmals an den Verhandlungstisch.
Dieser „soft Brexit“ wäre für die Lieferketten auf und von der Insel eine große Erleichterung. Denn die Alternative, ein „hard Brexit“, hätte weitreichende Folgen für den Warenverkehr. In diesem „worst case“-Szenario, ganz ohne Abkommen, wäre Großbritannien von heute auf morgen als Drittstaat nach WTO-Regeln zu behandeln, einschließlich sämtlicher Zölle, Steuern und sonstiger Bestimmungen. Große Verzögerungen an den Grenzen wären die unmittelbaren Folgen, voraussichtlich bereits Wochen vor dem Austrittstermin Ende März, wenn Lagerbestände und Mindestbevorratungsmengen erhöht und die Transportkapazitäten knapp werden.
Aktuell ist also klar – alles ist unklar. Unternehmen mit Verkehren von und nach Großbritannien bleibt daher nur die Möglichkeit, sich so gut wie möglich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. DACHSER unterstützt dabei seine Kunden wo immer nur möglich. „Aufgrund der unsicheren politischen Situation bereiten wir uns auf jedes Szenario vor“, sagt Wolfgang Reinel, Managing Director EL North Central Europe bei DACHSER. „Wir sind in der Lage, uns flexibel auf diese Herausforderung einzustellen. Dank unseres dichten, europaweiten Netzwerks können wir Transporte bei Bedarf umsteuern und auf die dafür benötigten Ressourcen zurückgreifen.“ Das gilt auch für Nordirland, das derzeit vom irischen DACHSER-Tochterunternehmen Johnston Logistics bedient wird. Mögliche Optionen wären beispielsweise die Einrichtung zusätzlicher Umschlagpunkte samt Schaffung zusätzlicher Lagerungskapazitäten, um den Warentransport vom Kontinent auf die Insel auch unter erschwerten Bedingungen zu ermöglichen. Auch beim Thema Zoll kann DACHSER seine Kunden umfassend unterstützen. „Wir verfügen über die notwendige Expertise und Verfahren, um hier die Störungen möglichst gering zu halten. Dazu gehört insbesondere auch unser AEO-Status in Großbritannien und zahlreichen EU-Staaten für eine möglichst schnelle und reibungslose Zollabwicklung. Darüber hinaus investieren wir in zusätzliches Personal und IT,“ erläutert Reinel.
Doch was genau in den nächsten Wochen auf alle Beteiligten zukommen wird, ist schwer abzusehen. Doch ganz gleich, welche Entscheidungen auf der politischen Ebene gefällt werden, es besteht kein Grund, in Katastrophenszenarien zu denken. Wolfgang Reinel: „Wir verfolgen die Entwicklungen ganz genau, stimmen uns zentral mit allen bei DACHSER betroffenen Bereichen ab und stehen im engen Kontakt mit unseren Kunden. Der Brexit ist sicherlich eine neue, nicht alltägliche Herausforderung. Doch wir haben alle uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen getroffen, den Warentransport auf und von Großbritannien weiterhin so flüssig wie möglich abzuwickeln. Doch im Falle eines harten Brexit müssen wir alle mit erheblichen Verzögerungen im Warenverkehr rechnen.“