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Der Brexit kommt – aber was dann?

Großbritannien und die Europäische Union ringen derzeit in langwierigen, komplizierten Verhandlungen um die Modalitäten des Brexit. Wohin steuert das Vereinigte Königreich? Und worauf müssten sich dann Logistiker einstellen? Überlegungen von Nick Lowe, Managing Director DACHSER UK.

Der Handel im Zeichen des Brexits

Nein, die Welt geht nicht unter, wenn Großbritannien wie geplant nach dem 29. März 2019 nicht mehr Mitglied der Europäischen Union ist. Während wir zwar noch nicht klar absehen können, wie sich dies auf die Handelsvereinbarungen mit der EU und die damit verbundenen Zoll- und Transportfragen auswirken wird, ist eines zumindest sicher: Das Leben wird weitergehen, wir werden uns vorbereiten und anpassen. Bis jetzt bleibt DACHSER UK auf seinem eingeschlagenen Kurs.

Das heißt, wir stellen uns weiter auf steigende Ex- und Importe nach beziehungsweise aus Europa ein. Wir bieten unseren Kunden dafür ein starkes, flächendeckendes europäisches Netz, das für unsere Fähigkeiten und unsere Kompetenz in Europa steht und zentral gesteuert wird. Mit Blick auf mögliche Veränderungen in der Zukunft bietet uns das Möglichkeiten, unsere Verkehre zwischen Großbritannien und der EU innerhalb des Netzes umzugestalten, um so eventuell notwendige Zollabwicklungsprozesse im Umschlag zu optimieren. Wir verfügen dazu lokal und zentral über Zollabwicklungskompetenz und betreiben aktiv innerhalb unseres Netzes die Zollabwicklung für Landverkehrssendungen in und aus Nicht-EU-Länder/n. Unsere Kunden können sich darauf verlassen, dass wir unsere Betriebsprozesse und Dienstleistungen weiterhin flexibel entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und Marktfaktoren anpassen werden. Dazu gehören Warehousing, Kontraktlogistik und Value Added Services in Großbritannien und der EU für Kunden, die ihre Produkte in größerer Nähe zu ihren Absatzmärkten auf Lager halten möchten. Zentral im Fokus stehen dabei immer die konkreten Kundenbedürfnisse, und wie wir diese Bedürfnisse bestmöglich und effizient bedienen können.

Wenn es dann Zeit wird, verbindliche Regelungen zu treffen, kann der Brexit natürlich weitreichende Veränderungen für den Warenverkehr bewirken. Die britische Regierung hat seit geraumer Zeit mit dem Brexit auch einen Verbleib in der Zollunion und im Binnenmarkt ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund werden grenzüberschreitende Verkehre mit großer Wahrscheinlichkeit künftig komplizierter und langwieriger. Von dieser wachsenden Komplexität im Handel betroffen sind nicht nur direkte Warenim- und -exporte, sondern auch die hoch integrierten und nahtlos ineinandergreifenden Lieferketten zwischen Großbritannien und der EU, die im Laufe von rund 25 „grenzfreien“ Jahren in vielen verschiedenen Branchen entstanden sind.

Wie sensibel sorgsam austarierte Lieferketten gegenüber systemischen Veränderungen sind, hat kürzlich einmal das Beratungsunternehmen KPMG am Beispiel des Hafens von Dover vorgerechnet. Etwa 90 % des Handels zwischen Großbritannien und der EU verlaufen per Shortsea-Transport, entweder über die Straße von Dover oder durch den Eurotunnel. Eine Verzögerung bei der Ein- und Ausfuhr von nur zwei Minuten im Hafen von Dover würde nach der KPMG-Studie zu einem Rückstau von bis zu 27 Kilometern ins Landesinnere führen. Parkplätze für Lkw gibt es, wenn überhaupt, nur wenige. Bei acht Minuten Wartezeit bei der Freigabe von Lkw würde diese Warteschlange bereits an die Stadtgrenze von London reichen!

So lange nichts geklärt ist, bleibt alles beim Alten

Szenarien wie dieses haben Branchengruppierungen wie die Confederation for British Industry (CBI) veranlasst, entgegen dem Kurs von Regierung und Pro-Brexit-Politikern für einen wie auch immer gestalteten Verbleib Großbritanniens im Binnenmarkt und der Zollunion zu werben. Ob sie damit Erfolg haben? Mittlerweile stimmen die EU und Großbritannien trotz anhaltendem Widerwillen im politischen Lager der Brexit-Befürworter auf breiter Ebene darüber ein, dass es von Ende März 2019 bis Ende Dezember 2020 – und wahrscheinlich sogar darüber hinaus – eine Übergangsregelung geben wird, bei der „alles beim Alten“ bleibt. In dieser Zeitspanne wird es weiterhin freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr geben und Handels- und technische Normen sowie alle anderen Aspekte so angeglichen werden, als wären wir immer noch Mitglied des Binnenmarkts und der Zollunion.

Bis der grobe Rahmen und die entscheidenden Punkte des neuen Zoll- und Handelsabkommens zwischen Großbritannien und der EU ausgehandelt und veröffentlicht sind, können die Unternehmen nicht gezielt damit beginnen, ihre Systeme, Verwaltung, Finanz- und Rechtslage sowie den Aufbau und die Organisation ihrer europäischen Beschaffungs- und Lieferketten sukzessive anzupassen, um für die Umsetzung des „neuen Abkommens“ am Ende der Übergangszeit gerüstet zu sein. Die Branche hält weiterhin an der Hoffnung fest, dass, wie auch immer die Vereinbarungen am Ende aussehen werden, der Handel im Sinne der von Premierministerin Theresa May regelmäßig beworbenen Vision des „reibungslosen Handels“ mit möglichst wenig Barrieren weiterläuft.

Der Teufel steckt im Detail. Ich bin überzeugt, dass die Verhandler Großbritanniens und der EU noch einen langen, steinigen Weg vor sich liegen haben! Die Diskussion, ob es einen „harten“ oder „weichen“ Brexit geben wird, ist Schnee von gestern. Auf der politischen Agenda steht nun vielmehr, ein desaströses „Ausscheiden ohne Deal“ zu vermeiden und stattdessen ein umfassendes, kreatives Handelsabkommen abzuschließen, das die Freizügigkeiten, die Großbritannien als EU-Mitglied genießt, weitgehend erhalten soll – aber ohne die ganzen Verpflichtungen und folglich auch ohne die Vorteile. Einem solchen „Rosinen-Picken“ haben EU-Politiker und -Verhandlungsführer aber schon eine deutliche Absage erteilt.

Für die Logistik in UK verbinden sich viele offene Fragen: Wie könnte die neue Grenze aussehen? Und wie die Zollabwicklung? Wie wird die Grenzfrage in Irland geregelt? Würde sich die Zollabwicklung zwischen Großbritannien und der EU von der aktuellen Drittstaaten-Abwicklung von Sendungen wie beispielsweise aus China unterscheiden? Wird dazu ein vereinfachter Prozess eingeführt? Wie realistisch ist die Idee einer „elektronischen“ Grenze, mit der die Zollabwicklung für EU- und britische Waren vom physischen Warenfluss abgekoppelt und ein auditbasiertes Nachverzollungsverfahren eingeführt würde, wodurch das Ziel des „reibungslosen Handels“ weitgehend erreicht werden könnte? Und würde es die EU Großbritannien gleichtun? Der Fragenkatalog ist sehr umfangreich und wächst beständig weiter.
Im Moment ist noch nicht absehbar, wie der Brexit im Detail ausgestaltet wird. Unsere Überzeugung ist und bleibt dabei klar und unverrückbar: Logistik verbindet und schlägt Brücken in die Märkte. Ganz gleich, wie es mit Großbritannien und der EU in Zukunft weitergeht.

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