„Ohne Kultur kann es keine echte Compliance geben“
Verantwortung, Integrität, Vertrauen und Ehrlichkeit – zahlreiche aktuelle Studien und Forschungsergebnisse belegen, dass ein wertebasierter Compliance-Ansatz, wie ihn DACHSER seit zehn Jahren verfolgt, den wirksamsten Schutz gegen die möglichen Risiken von Wirtschafts- und Unternehmenskriminalität bietet.
Deutschland ist beim Thema Compliance – also den Instrumenten und Mechanismen in Unternehmen, die Gesetzesverstöße und unethisches Verhalten von Mitarbeitern verhindern sollen – nur bedingt vorbildlich. Seit den großen Industrieskandalen wurden zwar strengere Gesetze erlassen und haben Staatsanwaltschaften, Kartellämter sowie andere Behörden ihre Ermittlungstätigkeit deutlich erhöht. Doch im Gegensatz zu den meisten EU-Mitgliedsstaaten gibt es in Deutschland – mit Ausnahme von Firmen, die Wertpapierdienstleistungen erbringen oder im Kredit- und Finanzdienstleistungssektor tätig sind – derzeit noch kein Gesetz zur Einführung praktizierter Compliance durch ein Compliance Management System (CMS) in Unternehmen und Organisationen ab einer gewissen Größe. Die organisatorische Ausgestaltung liegt im Ermessen der Geschäftsleitung.
Immerhin hat sich im September 2019 beim Hinweisgeberschutz etwas getan: Whistleblower, die Hinweise auf ethische Verstöße in ihren Unternehmen geben und es so womöglich vor schweren Schäden schützen, waren bisher von der deutschen Rechtslage nicht vor Repressalien wie einer Kündigung, Rufschädigung und dem Verlust der beruflichen Existenz geschützt. Das soll sich laut einer EU-Richtlinie bis September 2021 ändern: Das Whistleblower-Gesetz verpflichtet alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder mehr als 10 Millionen Euro Jahresumsatz in der EU dazu, ein internes Hinweisgebersystem einzuführen.
Integrität und Ehrlichkeit sind die besten Mittel gegen Korruption
Die neue EU-Richtlinie macht deutlich, dass es für Unternehmen zukünftig noch wichtiger wird, sich stärker mit der Compliance-Thematik zu befassen und die Integration eines Compliance-Management Systems voranzutreiben. Insbesondere gilt es, eine Kultur im Unternehmen zu entwickeln, in der Rechtstreue und Regeleinhaltung zum selbstverständlichen täglichen Business gehören. Denn Compliance-Kultur und Unternehmenskultur befruchten sich gegenseitig und sorgen im Zusammenspiel für eine gemeinsame Identität aller Mitarbeiter. Genau diese ethische Überzeugung in allen Schichten eines Unternehmens gilt inzwischen als entscheidendes Kriterium für den Erfolg und das Greifen von Compliance-Maßnahmen.
In der betriebswirtschaftlichen Forschung spricht man auch vom „werteorientierten Compliance-Ansatz“, der klare rechtliche Regeln und Vorschriften mit der Integritätskultur eines Unternehmens und der grundsätzlichen Vermittlung von Werten wie Verantwortung, Integrität, Vertrauen und Ehrlichkeit kombiniert. Das Zusammenspiel aus klar definierten Compliance-Regeln auf der einen und ehrlich gelebten, tief verwurzelten Werten auf der anderen Seite bietet einen wirksamen Schutz gegen die Gefahren, die illegale Preisabsprachen, Korruption und Schwarzarbeit für Unternehmen darstellen. Welcher Schaden konkret entstehen kann, wenn die mangelnde ethische Überzeugung von Mitarbeitern zu Fehlverhalten führt, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln im August 2019 untersucht. Für ihre Studie haben die Ökonomen des Forschungsinstituts 835 repräsentativ ausgewählte Firmen befragt.
Die Auswirkungen von illegale Preisabsprachen, Korruption und Schwarzarbeit belasten die deutsche Wirtschaft demnach stark und sorgen branchenübergreifend für Umsatzeinbußen in Höhe von 18 Prozent: Etwa sieben Prozent Verluste verursachen illegale Kartelle und unerlaubte Absprachen, mehr als sechs Prozent Umsatzeinbußen entstehen durch Korruption. Schwarzarbeit kostet die Unternehmen etwa fünf Prozent Umsatz. Konkret reden wir über Einbußen durch Schwarzarbeit in Höhe von rund 313 Milliarden Euro und durch Korruption von 412 Milliarden Euro. Unerlaubte Kartelle kosten Unternehmen bundesweit nach eigenen Angaben sogar rund 472 Milliarden Euro Umsatz. „Unsere Studienergebnisse zeigen, dass Korruption, Kartelle und Schwarzarbeit selbst in gut entwickelten, erfolgreichen Volkswirtschaften eine größere Gefahr darstellen, als vielfach vermutet“, fasst Studienautor Prof. Dr. Dominik H. Enste zusammen, der das Kompetenzfeld Verhaltensökonomik und Wirtschaftsethik am Institut der deutschen Wirtschaft leitet.
Bereits vor zehn Jahren – vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung – hat DACHSER als einer der Vorreiter unter den Familienunternehmen Deutschlands professionelle Compliance-Prozesse aufgesetzt. Am Anfang der Überlegungen stand die Überzeugung, dass einheitliche Regeln auf einem stabilen Wertefundament errichtet werden müssen. Bernhard Simon, Chief Executive Officer (CEO) und Vorsitzender des Executive Board von DACHSER, war eine treibende Kraft bei der Einführung eines strukturierten Compliance-Programms:
"Compliance erfordert die Loyalität zum Unternehmen und seinen Werten. Denn ehrlich gelebte Werte sind die beste Voraussetzung für ein funktionierendes Compliance-System. Ohne Kultur kann es keine echte Compliance geben."
„In erster Linie ging es uns darum, die seit jeher gelebten Wertevorstellungen und schon immer existierenden Verhaltensmaßstäbe in ein einheitliches, klar verständliches und für alle Mitarbeiter zugängliches Format zu bringen. Die kompromisslose Durchsetzung von Compliance kann nur gelingen, wenn Mitarbeiter dazu abgeholt werden und ihnen dabei weiterhin Wertschätzung entgegengebracht wird. Es darf kein Misstrauen entstehen. Compliance erfordert die Loyalität zum Unternehmen und seinen Werten. Denn ehrlich gelebte Werte sind die beste Voraussetzung für ein funktionierendes Compliance-System. Ohne Kultur kann es keine echte Compliance geben", Bernhard Simon, CEO bei DACHSER.
Wertebasierte Compliance ist eine Zukunftsinvestition
Trotz aller Anlaufschwierigkeiten und Defizite erkennen immer mehr Unternehmen in Deutschland, dass es zu einem breit gestreuten Compliance-Programm, das auf festen, gelebten moralischen Prinzipien beruht, keine Alternative gibt. Auch wenn sie Geld kostet, ist wertebasierte Compliance eine effektive Gefahrenabwehr und damit eine Sache der betriebswirtschaftlichen Vernunft. „Ja, Compliance ist zunächst erst mal ein Kostenfaktor“, bestätigt Prof. Dr. Stephan Grüninger, Wissenschaftlicher Direktor des Konstanz Institut für Corporate Governance (KICG) und Professor für Managerical Economics an der Hochschule Konstanz. „Aber ich glaube, Compliance ist vor allem eine gute Zukunftsinvestition. Wer Compliance als Manager oder auch gesamthaft als Unternehmen ‚nicht drauf hat’, dem fehlt eine wesentliche Kompetenz, langfristig erfolgreich am Markt agieren zu können. Unternehmen machen keine höheren Gewinne, nur weil sie ein Compliance-System haben. Es kann sie allerdings vor Turbulenzen bewahren. Auf der anderen Seite geht es bei Compliance nicht nur um die Haftungsvermeidung, sondern auch darum, überhaupt mit anderen Firmen in Verhandlungen treten zu können. Viele Geschäftspartner unterschreiben erst dann Verträge, wenn sie sich davon überzeugt haben, dass es auf der anderen Seite ein wirksames Compliance-System gibt, auf das sie sich verlassen können.“
Prof. Dr. Stephan Grüninger ist einer der Geburtshelfer des Compliance Management Systems von DACHSER. Der Wirtschaftswissenschaftler war 2008 als Partner der Unternehmensberatung Ernst & Young AG für den Bereich „Fraud Investigation & Dispute Services“ (FIDS) zuständig und Leiter der Compliance Services von EY. Er wurde als fachlicher Berater hinzugezogen, um bei DACHSER ein weltweites Compliance Management System mit klaren Antikorruptions- und Antikartell-Richtlinien aufzubauen. „Was allen die Arbeit enorm erleichtert hat, war zum einen, dass DACHSER auf einem bestehenden Wertekanon und Leitbild aufbauen konnte“, erinnert sich Prof. Dr. Stephan Grüninger. „Der Geist der Gründerfamilie war bei den Mitarbeitern bereits verwurzelt, es ging also nur noch darum, diese positive Integritätskultur zu verfestigen und die möglicherweise auftretenden Risiken für die weltweiten Standorte genau zu untersuchen und für alle transparent zu machen. Zum anderen stand mit Bernhard Simon der CEO von Anfang an als Person für den Erfolg dieses Projekts. Er hat ganz klar gesagt: ,Ich will eine Compliance-Organisation bei DACHSER aufbauen und werde persönlich dafür einstehen, dass uns das gelingt.’ Es gibt kein stärkeres Signal in eine Organisation hinein – Compliance ist Chefsache.“
Inzwischen liegt das Compliance Management System bei DACHSER in den Händen von Stephan Maruschke. Der Volljurist leitet die DACHSER Rechtsabteilung in Kempten und ist gleichzeitig Chief Compliance Officer. Sein Job als CCO: Er ist für die Weiterentwicklung des Systems zuständig und überwacht mit der internen Revision als starkem Partner die wirtschaftsethische Orientierung in den weltweiten DACHSER Standorten. Wobei Stephan Maruschke mit dem Wort „überwachen“ nur wenig anfangen kann: „Ich sehe mich eher als Impulsgeber und Motivator einer agilen Organisation, die aus sich selbst heraus Energie schöpft. Compliance findet bei DACHSER nicht im Elfenbeinturm statt. Wir wollen mit der Compliance-Organisation nahbar sein, wir pflegen kurze Kommunikationswege und beziehen möglichst viele Mitarbeiter mit ein.“
Um zu betonen, dass Compliance ein Sinnbild für die gesamte Unternehmenskultur ist, hat DACHSER seinem Compliance-Management-System zum zehnjährigen Jubiläum das Motto „Integrity in Logistics“ verliehen. „Ich mag dieses Motto“, sagt Stephan Maruschke, „denn es steht für das integre wirtschaftliche Handeln aller Landesorganisationen.“ Als global operierender Logistikdienstleister, der weltweit Märkte, Länder und Menschen verbindet, hat DACHSER eine besondere Verantwortung für das rechtskonforme Verhalten seiner Mitarbeiter. Mit dem Compliance-Management-System wird das Allgäuer Familienunternehmen dieser Verantwortung seit über zehn Jahren gerecht.