Wenn Schwergewichte schwimmen gehen
Extreme Breite, große Höhe und massives Gewicht: Wenn ein Schwergewicht auf Reisen geht, muss jeder Handgriff sitzen. Leitungen werden gehoben oder abgehängt, Straßen gesperrt oder Autobahn-Grünstreifen mit Stahlplatten verstärkt. Doch was passiert, wenn schließlich Niedrigwasser eine Weiterfahrt per Binnenschiff verhindert?
Für den Transport einer Anlage zur Herstellung optischer Beschichtungen von Ottendorf bei Dresden nach Nord-China suchte die FHR Anlagenbau GmbH einen erfahrenen Logistikdienstleister. Umfang und Maße der Sendung waren beachtlich: Allein das Hauptsegment war fünf Meter breit, 4,80 Meter hoch und wog 70 Tonnen. Hinzu kamen Maschinenkomponenten, Verpackungsmaterial, sieben Container und vier Flat-Rack-Container mit einer Breite von bis zu vier Metern. „Der Transport von großformatigen und in höchster Präzision gefertigten Anlagen erfordert ganz besonderes Knowhow und einen erfahrenen Logistikpartner“, sagt Katrin Gommlich, bei FHR für die Exportabwicklung zuständig. Sven Eigler, CFO bei FHR, ergänzt: „Unsere Kunden erwarten von uns Zuverlässigkeit. Mit DACHSER haben wir einen langjährigen Partner, der diesen Anspruch auch unter schwierigsten Randbedingungen gemeinsam mit uns erfüllt.“
DACHSER Air & Sea Logistics Dresden erhielt den Auftrag und begann sofort mit der Planung. So ließ DACHSER unter anderem innerhalb kurzer Zeit ein eigens für den Transport und die Ware konzipiertes Transportgestell anfertigen, in dem die Expertise aus Wirtschaft, Stahlbau und nicht zuletzt der Logistik erfolgreich zusammengeführt wurde.
Autobahnsperrungen und demontierte Leitungen
Streckenstudien ergaben, dass der Transport auf der Straße von Ottendorf nach Hamburg nicht möglich war. So entschieden sich die Projektmanager von DACHSER, das Hauptsegment per Binnenschiff vom Dresdner Hafen in den Hamburger Hafen zu verschiffen. Dazu verpackte DACHSER die großformatigen Teile seemäßig, was wiederum die Transportabmessungen des Hauptsegmentes auf 5,40 Meter Breite und 5,10 Meter Höhe anwachsen ließ. Spezielles Hubequipment brachte die Ware aus der Produktionshalle des Auftraggebers. Anschließend wurde das gesamte Hauptsegment mit einem 240 Tonnen Mobilkran millimetergenau in das Transportgestell eingepasst. Ein 14-achsiger Spezialtieflader transportierte die Ware dann von Ottendorf zum Dresdner Hafen, wobei mehrere Leitungen gehoben oder abgehangen wurden, Halteverbote aufgestellt, Verkehrszeichen entfernt und Signalausleger gedreht werden mussten. Für die Projektlogistiker von DACHSER Routine. Auch der Transport über die Autobahn erforderte eine detaillierte Planung: Wegen der Schilderbrücken musste die Richtungsfahrbahn über den Mittelstreifen gewechselt werden. Für die Querung wurden zuvor die Leitplanken demontiert und der Grünstreifen mit Stahlplatten verstärkt. Nach mehreren Kilometern verließ der Transport die Autobahn entgegen der Fahrbahnrichtung. Ohne kurzfristige Vollsperrung der Autobahn unmöglich.
Der Transport von großformatigen und in höchster Präzision gefertigten Anlagen erfordert ganz besonderes Knowhow und einen erfahrenen Logistikpartner
Auf der weiteren Strecke galt es, eine Straßenbahnlinie zu kreuzen. Da die Oberleitung aber nicht auf die erforderliche Höhe anzuheben war, musste der Transport erneut auf die Autobahn ausweichen. „Um möglichst effizient zu arbeiten und die Autobahnsperrung so kurz wie möglich zu halten, musste der Lkw rückwärts auf die Autobahn auffahren und den Weg zur nächsten regulären Abfahrt ebenso rückwärts zurücklegen, da ein Wenden auf der Autobahn nicht möglich war“, erzählt Markus Mauf, Projektspezialist von DACHSER Air & Sea Logistics Dresden. Nach sieben Stunden erreichte der Transport schließlich den Hafen in Dresden.
Niedrigwasser stoppt Weiterfahrt
Die Trockenperiode im Sommer 2015 brachte Pegel von teilweise weniger als einem halben Meter und machte einen Transport auf der Elbe unmöglich. Zum Vergleich, der absolute Mindestpegel für den Transport auf der Elbe liegt bei 1,10 Meter. Um für die erste „Welle“ gewappnet zu sein, brachte DACHSER die komplette Ware aus der Produktionshalle aus und lagerte sie fertig verpackt im Dresdner Hafen auf sogenannten Elefantenfüßen zwischen. Nach einem achtwöchigen Zwangsstopp stabilisierte sich der Pegelstand der Elbe, und das allererste Schiff nach fünf Monaten Niedrigwasser brachte die Anlagen gen Hamburg. Der Schiffstransport auf der Elbe erforderte eine gute Portion Fingerspitzengefühl vom erfahrenen Kapitän, da er die enge Fahrrinne nur mit größter Präzision durchfahren konnte.
In Hamburg wurde das verpackte Hauptsegment auf sechs miteinander verbundenen Plattform-Containern gestaut und gemeinsam mit den weiteren Containern auf den Ozeanriesen „CMA CGM Jules Verne“ verladen. Nach 38 Tagen erreichte die Ware schließlich den chinesischen Hafen. Dort ging es wieder auf den Lkw und auf der Straße weiter bis ans Ziel.